Ihr Herzschlag ist, auch wenn er rhythmisch erscheint, niemals völlig konstant. Die geringen Zeitunterschiede zwischen den einzelnen Herzschlägen werden als Herzratenvariabilität bezeichnet und geben ein Feedback über Ihre Stressbelastung, Ihren Erholungs- und Trainingszustand. Mit der HRV kann individuell auf Ihre jeweilige Lebenssituation Rücksicht genommen werden. Es können Phasen hoher Stressbelastung oder eingeschränkter Regenerationsfähigkeit, die im Extremfall bis zum Übertraining oder zum „Burn out“ führen, erkannt werden.

Die HRV ist eigentlich gar nicht neu und keine Errungenschaft der modernen Medizin, sondern bereits seit Jahrhunderten in der chinesischen Medizin im Einsatz.

Im 3. Jahrhundert erkannte der chinesische Arzt Wang Shu-he, dass ein variabler Herzschlag ein Zeichen für Gesundheit ist und ein starrer Herzschlag ein Zeichen für Krankheit. Er verfasste die Schriften „Mai Ching – The Knowledge of Pulse Diagnosis“ in denen er seine Untersuchungsergebnisse fest hielt:
„Wenn das Herz so regelmäßig wie das Klopfen eines Spechts oder das Tröpfeln des Regens auf dem Dach wird, wird der Patient innerhalb von 3 Tagen sterben“.

Zu dem Zeitpunkt gab es jedoch noch keine modernen hochtechnischen Messinstrumente, sondern er stellte seine Diagnosen lediglich durch „Erfühlen“ der HRV mit seinen bloßen Händen im Bereich der Handgelenke der Patienten (Radialispuls).

Diese Erkenntnis können wir in der Intensivmedizin bei schwer kranken Patienten wissenschaftlich bestätigen: Sinkt die HRV im Rahmen einer intensivmedizinischen Betreuung rapide ab, sind die Überlebenschancen des Patienten sehr schlecht.

Heute haben wir technische Möglichkeiten, die HRV verlässlich und einfach zu bestimmen. Der Standard in der HRV Diagnostik sind Kurzzeitmessungen über ca. 5 Minuten oder eine 24 Stunden Langzeitmessung. Die Langzeitmessungen sind als Eingangsuntersuchung gut geeignet, um die derzeitige Situation bestimmen zu können, für eine langfristige Verlaufskontrolle im Rahmen eines Coachings sind sie jedoch oft zu aufwendig und zu teuer.

Eine einfachere und günstigere Variante ist eine tägliche Kurzzeitmessung zu Hause mittels eines EKG-Brustgurts. Es kann damit kurzfristig auf Belastungen und Erholung optimal und rasch reagiert werden. Dieses System ist nicht nur für eine Stressprävention ideal, sondern es kann damit auch die sportliche Aktivität gesteuert werden.

Bei der täglichen Messung in der Früh wird eine Baseline erzeugt, die individuell bei jedem Menschen unterschiedlich ist. Es gibt bei der HRV keine Standardwerte, die gut oder schlecht sind. Prinzipiell sind hohe HRV Werte besser als niedrige, jedoch ist das von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Abhängig ist die HRV von vielen Faktoren, vom Geschlecht, dem Lebensalter, von Medikamenten oder auch von der anatomischen Größe der linken Herzkammer, die bei vielen Menschen angeboren unterschiedlich groß sein kann.

Wie entsteht der Herzschlag bei einem Menschen und warum sollte er variabel sein?

Der Sinusknoten, im Bereich des rechten Vorhofs des Herzens, gibt einen starren Herzrhythmus vor. Dieser muss jedoch an die jeweiligen Anforderungen und Bedürfnisse des täglichen Lebens durch das vegetative Nervensystem und zusätzlich über einige Hormone angepasst werden.

Das vegetative Nervensystem besteht aus dem Sympathikus als Antriebsmotor und dem Parasympathikus als Bremssystem und wird auch als „autonomes Nervensystem“ bezeichnet. „Autonom“ bedeutet, dass wir willentlich keinen Steuerungseinfluss auf dieses System haben. Stress, Aufregung, Nervosität und hohe körperliche Anstrengung erhöhen die Aktivität des Sympathikus. Ruhe, Erholung, Schlaf oder auch lockere Bewegung stärken den Parasympathikus.

Auch durch den Atemrhythmus wird die HRV beeinflusst. Beim Einatmen wird die HRV verringert beim Ausatmen erhöht.

Wir können uns nicht auf Befehl entspannen und das führt zu zahlreichen Problemen in der heutigen stressigen Zeit. Kommt diese Waage aus dem Gleichgewicht, führt es zu einer Überlastung mit oft unspezifischen Symptomen: Müdigkeit, Leistungseinbruch, Schwäche, Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Gereiztheit, Depression und es kann sogar bis zum völligen Zusammenbruch dem „Burn out“ führen.

Es gilt also ein stabiles Verhältnis von Belastung und Entlastung aufrecht zu erhalten, um gesund zu bleiben.

Steigern Sie Ihre Leistungsfähigkeit – aber nicht auf Kosten Ihrer Gesundheit

Die HRV-basierte Trainingssteuerung optimiert Ihren Trainingsplan, ersetzt ihn aber nicht. Dadurch ist es möglich, Belastungen von Job oder Privatleben sensibler zu berücksichtigen. Manchmal ist der Fokus auf den Wettkampf so groß, dass die Alarmsignale des Körpers nicht wahrgenommen oder ignoriert werden. Übertraining ist ein schleichender Prozess. Sobald man ihn bewusst wahrnimmt, ist man schon mittendrin. Leistungseinbrüche, schlechter Schlaf, Kopfschmerzen, ein veränderter Ruhepuls sind oft die Folgen.

Im Breitensport besteht oft die Gefahr durch die Kombination aus beruflichem Stress und ambitioniertem Training eine Überlastung im Sinne eines Übertrainings zu erzeugen.

Nutzen Sie Ihre innere Uhr, um Ihr Training und Ihr Wohlbefinden auf ein neues Level zu heben. Die HRV ist eine spannende Methode, die eigene Körperwahrnehmung zu verbessern, sie ist jedoch sehr fehleranfällig und sollte daher gerade zu Beginn unbedingt durch ein professionelles Coaching überwacht werden.