Knapp 5000 Kilometer und 55 000 Höhenmeter auf dem Rennrad, einmal von der Westküste zur Ostküste Amerikas – und das in zehn Tagen, vier Stunden und 13 Minuten.
Eine unserer langjährigen Mitarbeiterinnen – Katharina Schrems, die Sportwissenschaften und Publizistik studiert – hatte dieses Jahr die Chance, beim Race Across America als Betreuerin dabei zu sein. Hier ist ihr Erfahrungsbericht:
So manch einer hat schon von dem Ultraradrennen gehört, aber was ist es wirklich und vor allem, was bedeutet es, hautnah dabei zu sein?
Das RAAM ist ein etwa 5000 km langes Radrennen von dem US-Bundesstaat Kalifornien (Westküste) bis Maryland (Ostküste). Es werden insgesamt 12 Bundesstaaten durchquert (unterschiedliche Zeitzonen!) – und es ist alles dabei: Wüste, Berge, Städte und dann sind da noch die endlos langen Straßen.
Seit 2020 bin ich im Team der Athletin, Nicole Reist (Schweiz), als Betreuerin tätig. Der Höhepunkt der diesjährigen Saison war das Race Across America – eines der härtesten Ultraradrennen der Welt. Es ist ein Non-Stop-Ultraradrennen, das heißt, das Ziel ist: So schnell wie möglich von A nach B zu kommen und nur soviel wie notwendig zu schlafen. Während dem Rennen ist das Team auf sich allein gestellt und muss so allerhand Herausforderungen bewältigen, ohne dass die Person am Rad etwas davon mitbekommt… Fehlendes Gepäck bei der Ankunft, Umleitungen, Straßensperren, kaputte Reifen am Auto, wie auch am Rad, die Technikprobleme mit dem Funk und dann ist da auch noch die permanente Müdigkeit – bei der Athletin noch mehr als bei der Crew.
Wenn Außenstehende von einem Ultracycling-Rennen hören, wird meist gedacht: „Ach, das ist ja eine Einzelsportart“. Ganz so stimmt das nicht – ein 11-köpfiges Team vor Ort und 2 Teammitglieder zu Hause arbeiten permanent im Hintergrund, um der Athletin das Rennen so „angenehm“ wie möglich zu gestalten. Im Vorfeld werden bestimmte Abläufe monatelang besprochen und eintrainiert – im Rennen sitzt jeder Handgriff und die Aufgaben sind klar verteilt.
Immer wieder wird mir die Frage gestellt: „Warum tust du dir das an, das ist doch voll anstrengend?“
Ja, das ist es definitiv! Doch genauso inspirierend und faszinierend sind auch dieser Sport sowie die Athletinnen und Athleten. Das Race Across America ist nun das fünfte Rennen, bei dem ich als Betreuerin dabei sein darf und selten habe ich so viel Disziplin, Leidenschaft und mentale Stärke in einer Person gesehen. Auf die Frage, warum Nicole den Sport betreibt, gibt sie die Antwort: „Weil ich einfach brutal gern Velo fahre und ich wissen möchte, wo meine Grenzen sind.“ (Übersetzt aus dem Schweizerdeutsch 😊). Obwohl ich direkt hinter der Athletin herfahre (selbstverständlich mit dem Auto) und ihre Leistung mit meinen eigenen Augen beobachten darf, ist es unvorstellbar, was ein Mensch physisch, wie auch mental schaffen kann, wenn er Ziele und Visionen hat. Einen Menschen solche Höchstleistungen vollbringen zu sehen, motiviert enorm. Damit meine ich nicht zwingend auch einmal an einem Ultraradrennen teilzunehmen, sondern diese Willenskraft immer wieder im Alltag einzubauen.
Jeder im Team kommt an seine Grenzen und verschiebt diese – in Sekunden müssen Entscheidungen getroffen werden, die rennentscheidend sein können. Selbst nach einem heftigen Sturz war das Rennen für Nicole nicht vorbei. Denn das Motto „Einfach machen!“ ist Programm – und das bis zur Ziellinie.
Was nehme ich persönlich vom RAAM 2022 mit? Wir können so viel mehr leisten als wir uns in bestimmten Situationen vorstellen können. Mit den richtigen Zielen, Träumen, Durchhaltevermögen und einem passenden Umfeld schafft man selbst Unvorstellbares. Das RAAM war definitiv nicht mein letztes Ultraradrennen!