Tanz: Kunstform und Hochleistungssport

Tanz ist eine einzigartige Verbindung aus Ausdruck, Präzision und Disziplin. Wer schon einmal eine Aufführung an der Wiener Staatsoper erlebt hat oder bei den ImPulsTanz-Wochen in Wien hinter die Kulissen blicken durfte, spürt sofort: Tänzer:innen sind nicht nur Künstler:innen, sondern auch Athlet:innen auf höchstem Niveau. Ihr Alltag ist geprägt von stundenlangem Training, Wiederholungen, komplexer Bewegung und dem Streben nach technischer Perfektion. Diese Leidenschaft verlangt dem Körper alles ab – Beweglichkeit, Stabilität, Kraft und mentale Stärke. Doch genau dieser permanente Hochleistungsmodus birgt ein hohes Risiko für Verletzungen.

„Besonders schwierig ist dabei der ständige Erwartungsdruck: Jeden Tag mit der gleichen Kraft und Energie bei Proben und Aufführungen präsent zu sein.“ – Vanessza Springl, Tänzerin Corps de Ballett Wiener Staatsballett

Rund 95% aller Profitänzer:innen erleben im Laufe ihrer Karriere mindestens eine relevante Verletzung, meist infolge chronischer Überbelastung oder unbemerkter Fehlbelastungen. Im modernen Tanz liegt die jährliche Verletzungsrate bei hohen 82%.

Ballettänzerin in schwarzem Kleid beim Training

Prävention ist der Schlüssel für eine verletzungsfreie Tanzkarriere

Im Tanzsport sind Muskeln, Gelenke und Bindegewebe einer enormen Beanspruchung ausgesetzt. Extreme Gelenkwinkel, hohe Wiederholungszahlen und das Streben nach Perfektion stellen Anforderungen, die kaum eine andere Sportart kennt.

Umso wichtiger ist ein gezieltes, präventives Training:

  • Krafttraining stärkt Muskeln und stabilisiert Gelenke
  • Individuelle Trainingspläne beugen Überlastungen vor
  • Physiotherapie erkennt Dysbalancen frühzeitig und behandelt Beschwerden, bevor sie chronisch werden

Dass Prävention wirkt, zeigt eine randomisierte Studie eindrucksvoll: Balletttänzer:innen, die regelmäßig Krafttraining absolvierten, konnten ihre Verletzungsrate um 82% reduzieren – und zugleich ihre Leistungsfähigkeit steigern (Vera et al.,2020)

Prävention ist aber auch individuell, denn Tanz ist nicht gleich Tanz. Während Ballett extreme Außenrotation und wiederholte Landungen aus Höhen erfordert, verlangen zeitgenössische Stile oft bodennahe Bewegungen mit hoher Hüftmobilität. Standard- und Lateintänzer:innen wiederum benötigen Stabilität in Rotationsbewegungen und schnelle Richtungswechsel.

Ein effektives Präventionsprogramm muss daher stil – und körperbezogen sein, wie z. B. Training für die Sprunggelenksstabilität für Spitzentanz, Hüftkontrolle im Zeitgenössischen Tanz und Core-Stabilität im Lateintanz.

Häufige Verletzungen und Belastungen bei Tänzer:innen

Tänzer:innen müssen ihren Körper konstant an extremen Belastungspunkten einsetzen.

Das unterstreicht auch eine aktuelle Übersichtsarbeit: Bei 2.617 Balletttänzer:innen wurden insgesamt 7.332 Verletzungen dokumentiert –  im Schnitt also mehr als zwei Verletzungen pro Person im Beobachtungszeitraum (Ekegren et al., 20162014)

  • Hamstringszerrungen (Musculus biceps femoris & semitendinosus) machen bei Balletttänzer:innen bis zu 51% der Muskelverletzungen aus (vgl. Allen et al., 2012)
  • Sprunggelenk- und Fußverletzungen treten bei bis zu 49% der zeitgenössischen Tänzer:innen auf – häufig in Form von Tendinopathien der Achillessehne oder Peronealsehnen (vgl. Ekelren et al., 2014)
  • Knieverletzungen, wie Meniskusschäden oder Distorsionen, betreffen besonders Hip-Hop-Tänzer:innen – mit einer Häufigkeit von 43% (Gambora et al., 2008)
  • Rückenschmerzen (Lumbalgien) treten bei klassischen Tänzer:innen in etwa 14%, bei modernen Tänzer:innen in bis zu 33% der Fälle auf (vgl. Ekekren et al., 2014)
  • Das Snapping Hip Syndrom (Coxa saltans) betrifft bis zu 58% der Balletttänzer:innen – häufig infolge repetitiver Hüftbewegungen in endgradiger Außenrotation (Winston et al., 2017)
  • Auch Knochenbelastungen sind ein zentrales Thema: MRT-Studien zeigten, dass 82% der Tänzerfüße asymptomatische Knochenmarködeme (Bone Bruises) im Talus oder Mittelfuß aufwiesen. Zudem leiden rund 12–14% der jungen Tänzer:innen an Stressfrakturen, vor allem an der Basis des zweiten Mittelfußknochens (Fractura stressus ossis metatarsalis II) (Gamboa et al., 2008)

„Als Ballerina ist es selten möglich, völlig schmerzfrei zu tanzen. Im Laufe meiner Karriere hatte ich zwei schwere Verletzungen – und unzählige kleinere. Die meisten meiner anhaltenden Probleme lassen sich auf meine erste ernsthafte Knieverletzung zurückzuführen“ – Vanessza Springl, Tänzerin Corps de Ballett Wiener Staatsballett

Tänzerin bei der Physiotherapie

Physiotherapie für Tänzer:innen : Präzise Diagnostik und gezielte Betreuung

In der Physiotherapie kommen neben tanzspezifischen Tests wie dem Turnout-Test, dem Functional Movement Screen (FMS) und dem Y-Balance-Test auch manuelle Verfahren zum Einsatz. Studien zeigen, dass Tänzer:innen mit einem FMS-Score unter 14 signifikant häufiger an Verletzungen erleiden (Chorba et al., 2010) als andere.

Viele Tänzer:innen nutzen zusätzlich auch regelmäßig passive Behandlungen:

  • Rund 70–75% aller Profis nehmen Massage oder Mobilisation in Anspruch
  • Nach 1–3 Sitzungen sinken muskuläre Schmerzen um 30–50%
  • Bewegungsumfänge verbessern sich im Hüftbereich um 10–20%

„Nach der Schwangerschaft war mir als Profi-Ballerina eine gezielte Rückbildung sehr wichtig. Durch die Sportphysiotherapie konnte ich durch individuelle Übungen besonders für meine Körpermitte arbeiten. Planks haben mir enorm geholfen. Sie sind anstrengend, aber unglaublich effektiv für den Körper“ – Ketevan Papavan, Erste Solotänzerin Wiener Staatsballett

Osteopathie für Tänzer:innen: Ganzheitlich, wirksam und tanzgerecht:

Osteopathie wird zunehmend als ergänzende Therapieform in professionellen und auch semiprofessionellen Tanzensembles etabliert, da ihr ganzheitlicher Ansatz besonders bei komplexen funktionellen Beschwerden überzeugt.

Eine qualitative Studie von Pollard – Smith und Thomson (2017) beleuchtet, wie professionelle Ballettänzer:innen osteopathische Behandlungen wahrnehmen. Die Befragten schilderten Osteopathie als ganzheitlich, effektiv und individuell an ihre spezifischen Bedürfnisse im Tanzalltag angepasst. Besonders hervorgehoben wurden die empathische Kommunikation, die umfassende Betrachtung des gesamten Körpers (statt  nur der betroffenen Region), sowie das Gefühl, aktiv in den Heilungsprozess eingebunden zu sein.

Osteopathie ist für Tänzer:innen laut diesen Ergebnissen nicht nur therapeutisch, sondern auch präventiv und psychologisch unterstützend, insbesondere im Vergleich zur standardisierten Therapieform Standardtherapieform Physiotherapie.

„Ich nutze Osteopathie sowohl präventiv als auch reaktiv – etwa einmal monatlich zur Vorbeugung und häufiger bei Verletzungen. Besonders beim Tanzen hilft sie, den Körper ausgerichtet zu halten und Kompensationen in der Reha zu vermeiden. Nach der Behandlung fühle ich mich körperlich entspannter und erleichtert. Auch emotional und mental bin ich ausgeglichener, da Spannungen und Schmerzen abnehmen. Man fühlt sich insgesamt besser versorgt und vor weiteren Verletzungen geschützt“ – Natalya Butchko, Halbsolistion Wiener Staatsballett

 

Vorteile des Tanzens – lebenslang

Tanzen bietet jedoch nicht nur Risiken, sondern auch viele Benefits – in jeder Lebensphase:

Im Jugendalter:

  • Verbesserung von Koordination und Haltung
  • Aufbau starker Knochen und Muskeln
  • Entwicklung von Körpergefühl und Selbstvertrauen

Im Alter:

  • Erhalt von Beweglichkeit und Balance
  • Prävention von Osteoporose
  • Förderung geistiger Fitness und Lebensfreude
  • Tanzen stärkt Körper, Geist und Seele – ein Leben lang.

 

Kindergruppe in rosafarbenden Kleidern beim Tanztraining.

Fazit

Ob im Ballettsaal, beim zeitgenössischen Tanz oder auf den großen Bühnen: Tanz verlangt alles. Kraft, Hingabe, Disziplin. Doch genau das macht ihn so besonders. Damit Tänzer:innen ihre Leidenschaft gesund leben können, braucht es fundierte Prävention, individuelle Physiotherapie und ein ganzheitliches Verständnis der besonderen Belastungen.

Tanzbegeisterte Patient:innen – vom Profi bis zum ambitionierten Hobbytänzer – finden in der Sportordination Alserstraße kompetente Begleitung: sei es präventiv durch gezieltes Screening und individuell abgestimmtes physiotherapeutisches Krafttraining oder therapeutisch mittels osteopathischer Behandlungen – für einen starken, gesunden und beweglichen Körper auf und abseits der Bühne. Denn Tanzen bedeutet nicht nur Bewegung – es bedeutet, mit dem ganzen Körper Geschichten zu erzählen.

Oder wie Pina Bausch es so treffend formulierte: „Tanzt, tanzt, sonst sind wir verloren.“

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Quellen & weiterführende Literatur

Allen, N., Nevill, A., Brooks, J., Koutedakis, Y., & Wyon, M. (2012). Ballet Injuries: Injury Incidence and Severity Over 1 Year. The Journal of Orthopaedic and Sports Physical Therapy, 42(9), 781–790. https://doi.org/10.2519/jospt.2012.3893

Chorba, R. S., Chorba, D. J., Bouillon, L. E., Overmyer, C. A., & Landis, J. A. (2010). Use of a functional movement screening tool to determine injury risk in female collegiate athletes. North American Journal of Sports Physical Therapy, 5(2), 47–54.

Ekegren, C. L., Quested, R., & Brodrick, A. (2014). Injuries in pre-professional ballet dancers: Incidence, characteristics and consequences. Journal of Science and Medicine in Sport, 17(3), 271–275. https://doi.org/10.1016/j.jsams.2013.07.013

Gamboa, J. M., Roberts, L. A., Maring, J., & Fergus, A. (2008). Injury Patterns in Elite Preprofessional Ballet Dancers and the Utility of Screening Programs to Identify Risk Characteristics. The Journal of Orthopaedic and Sports Physical Therapy, 38(3), 126–136. https://doi.org/10.2519/jospt.2008.2390

Pollard-Smith, T., & Thomson, O. P. (2017). Professional ballet dancers’ experience of injury and osteopathic treatment in the UK: A qualitative study.Journal of Bodywork and Movement Therapies, 21(1), 148–156

Smith, T. O., Davies, L., & Donell, S. T. (2015). Bone bruises in asymptomatic dancers: A systematic review. Foot and Ankle International, 36(3), 246–253. https://doi.org/10.1177/1071100714563047

U.S. National Library of Medicine. (2020). A pilot study of osteopathic manipulative treatment in collegiate dancers (NCT06858592). ClinicalTrials.gov. https://clinicaltrials.gov/study/NCT06858592

Vera, A. M., Barrera, B. D., Peterson, L. E., Yetter, T. R., Dong, D., Delgado, D. A., McCulloch, P. C., Varner, K. E., & Harris, J. D. (2020). An injury prevention program for professional ballet: A randomized controlled investigation. American Journal of Sports Medicine. Advance online publication

Winston, P., Awan, R., & Cassidy, J. D. (2007). Clinical and diagnostic findings of snapping hip syndrome in dancers. The American Journal of Sports Medicine, 35(1), 118–124. https://doi.org/10.1177/0363546506293703